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25. April 2018

Künstlich-intelligenter Metalldetektor für die Nadel im Wissenshaufen

Es gibt einzelne Menschen, die sehr viel wissen. „Wissen wird“, so Marie von Ebner-Eschenbach, jedoch „mehr, wenn man es teilt.“

Doch bleibt Wissen, das in großen Wissensbasen gesammelt wird, auch immer fehlerfrei? Und was kann man tun, um aus gesammeltem Wissen fehlerfreie Rückschlüsse zu ziehen? Patrick Rodler, Post-Doc am Institut für Angewandte Informatik, arbeitet an künstlich-intelligenter Fehlersuche und Fehlerbereinigung von Wissensbasen.

Aktuell wird unter anderem ein Projekt gemeinsam mit der Stanford University durchgeführt, bei dem es darum geht, die Wissensbasen des National Cancer Institute in New York möglichst fehlerfrei zu halten. In diesen medizinischen Datenbanken versammelt sind hunderttausende logische Sätze zu Krebserkrankungen, eingetragen von Medizinerinnen und Medizinern, aus denen sich Zusammenhänge zwischen Symptomen, Genen, Ursachen und Therapiemöglichkeiten rückschließen lassen sollen.

Dass bei so vielen Datensätzen, die als logische Sätze eingetragen werden, fast zwingend Diskrepanzen entstehen, ist für Patrick Rodler naheliegend. „Es gibt bereits sehr kleine Wissensbasen, etwa mit lediglich drei Sätzen, die in sich widersprüchlich sind, wo jedoch selbst erfahrene Knowledge Engineers oder Expertinnen und Experten den Fehler nicht erkennen, geschweige denn beheben, können. Genau dabei helfen unsere Methoden.“ Letztere reduzieren das komplexe Problem der Fehlerfindung automatisiert auf eine Folge domänenspezifischer Wahr-Falsch-Aussagen wie beispielsweise „Jeder Tumor verursacht Schmerzen“. Diese werden einem entsprechenden Experten, in diesem Fall eine Ärztin, die mit dem System interagiert, zur Bewertung vorgelegt. Die Expertenantworten bewirken dann eine sukzessive Einschränkung der möglichen Fehler. Dabei sei es essentiell, den Benutzer optimal in der Interaktion mit dem Diagnosetool zu unterstützen. „Unsere neuesten Verfahren ermöglichen eine extrem effiziente Generierung leicht verständlicher Expertenfragen und passen deren Inhalt automatisch an das Expertenwissen an. Wofür bestehende Methoden Stunden benötigen, bewerkstelligt unser System in Bruchteilen von Sekunden“, erklärt Rodler weiter. Dadurch soll die kostbare Zeit der ExpertInnen gespart und deren Aufwand minimiert werden. „Man kann sich unsere Systeme vorstellen wie einen Metalldetektor bei der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.“

Wissensbasen wie diese werden mit Hilfe logischer Sprachen formuliert. Während man in jenen zwar nicht ganz so viel ausdrücken kann wie in natürlicher Sprache, erlaubt deren formaler Charakter es Systemen automatisch zu schlussfolgern, Zusammenhänge zu knüpfen, relevante Informationen zu extrahieren oder komplexe Fragen zu beantworten. „So lassen sich künstlich-intelligente Medizinsysteme realisieren.“ Wenn also zu einer bestimmten Krebserkrankung eine gute Datenlage für Symptome, genetische Dispositionen und Therapieformen vorliegt, kann daraus errechnet werden, was im Zweifelsfall einem neu hinzukommenden Patienten zu empfehlen ist. „Aus der Summe an Wissen entsteht so ein enormer Mehrwert – sofern die zugrundeliegende Wissensbasis fehlerfrei ist.“

Das am Klagenfurter Institut für Angewandte Informatik entstehende Wissen findet weltweit Verbreitung: Patrick Rodler hat gemeinsam mit seinen Kollegen ein Plug-In für das Programm „Protégé“ entwickelt, das mit rund 330.000 Nutzerinnen und Nutzern das weltweit meistverwendete Open-Source-Tool für Wissensbasis-Engineering ist. Das Plug-In wurde bisher rund 37.000-mal heruntergeladen.

Die Fehlersuche in Wissensbasen ist dabei nur ein Anwendungsbeispiel, an dem Patrick Rodler arbeitet. Er interessiert sich generell für „künstlich intelligente Fehlerfindung im weiteren Sinne“. Das heißt, die entwickelten Technologien sind sehr allgemein einsetzbar – sei es in Hardwaresystemen (wie Computerchips oder Autos), in Softwareprogrammen oder in Planungssystemen (etwa für Transportlogistik). In allen geeignet modellierbaren Systemen, wo Fehler aufgespürt und repariert werden müssen, können die Methoden Anwendung finden.

Daran, dass sich das Gut Wissen vermehrt, wenn man es teilt, glaubt Patrick Rodler auch als Lehrender: „Ich liebe es zu lehren. In meinen Lehrveranstaltungen versuche ich komplexe Inhalte so aufzubereiten, dass sie für jeden und jede verständlich werden. Nachdem ich diese selbst auch einmal lernen musste, lege ich besonderes Augenmerk auf gute Erklärungen derjenigen Dinge, die mir selbst nicht leicht gefallen sind. Mein Ziel ist dann erreicht, wenn es meine Studierenden schneller verstehen als ich ursprünglich.“ Patrick Rodler wollte eigentlich Sprachen studieren, hat sich dann aber doch in einem ersten Schritt für die Technische Mathematik entschieden und später die Informatik hinzugenommen. Aktuell hat Rodler je einen Master-Abschluss in der Mathematik und in der Informatik sowie das Informatik-Doktorat in der Tasche – allesamt mit Bestnoten in allen Fächern. Im Jänner erhielt er einen „Anerkennungspreis 2013-2016 der Österreichischen Gesellschaft für Artificial Intelligence“ für seine Masterarbeit „A Theory of Interactive Debugging of Knowledge Bases in Monotonic Logics“. Wer diesen intensiven Weg geht, braucht auch einen entsprechenden Ausgleich. „Meine Familie gibt mir das beste Umfeld, das ich mir vorstellen kann. Zudem betreibe ich gerne und intensiv Sport.“ So hat Patrick Rodler auch zwei Kärntner Akademische Fußballmeistertitel zu Buche stehen. Aber auch seine Arbeit „fühlt sich eigentlich wie ein Hobby an. Ich setze mich fast immer gerne dazu, auch wenn es mal am Wochenende sein muss.“ Auch das Lesen von Fachliteratur findet oftmals in der Freizeit statt. „Es gibt einfach noch so viel Interessantes zu wissen und zu erfahren“, so Rodler. Angesprochen auf so manches düstere Zukunftsszenario mit Künstlicher Intelligenz in Fernsehserien: „Ich glaube, dass es immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben wird, die die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz zum Wohl der Menschheit vorantreiben werden, als solche, die sie für kriminelle Zwecke instrumentalisieren wollen. Somit sollte die ‚gute KI‘ der ‚bösen KI‘ immer einen Schritt voraus sein. Von da her blicke ich den zukünftigen Entwicklungen auf dem Gebiet ziemlich optimistisch entgegen.“

Kontakt & Information

Dr. Romy Müller
UNI Services | Forschungskommunikation

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Universitätsstraße 65-67, 9020 Klagenfurt, Austria
T +43 (0) 463 2700 9316
M +43 (0)664 839 8864
romy.mueller@aau.at

Bildnachweis:

Patrick Rodler / KK

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Universitätsstraße 65-67
9020 Klagenfurt am Wörthersee

www.aau.at

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