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27. November 2020

Wie Recommender Systems Entscheidungen lenken können

Können Recommender Systems uns zu „besseren“ Alternativen lenken? Mathias Jesse, Doktorand im Kolleg DECIDE, untersucht die Wirkmechanismen verschiedener technischer Konzepte.

Recommender Systems sind uns vor allem von Verkaufsplattformen bekannt. Sie empfehlen uns auf Basis unserer bisherigen Entscheidungen Produkte, die wir auch noch interessant finden könnten. Aber können sie uns auch hin zu für uns selbst „besseren“ Alternativen lenken? An der Universität Klagenfurt wird zu diesem Thema intensiv geforscht.

Stellen wir uns vor, wir suchen auf einer Rezeptplattform nach Weihnachtskeksrezepten, die üblicherweise voller Zucker und Fett sind. Nun ist heute gemeinhin bekannt, dass die Zutaten für Kekse der Gesundheit des menschlichen Körpers nicht unbedingt zuträglich sind. Mathias Jesse untersucht in seiner Dissertation, mit welchen „Lockmitteln“ wir mittels Nudging zu den gesünderen, zucker- und fettärmeren Keksen geleitet werden können. Im Zentrum seiner Forschung stehen die sogenannten recommender systems. Diese Systeme empfehlen uns, auf Basis bisheriger Entscheidungen, was wir noch mögen oder was uns noch interessieren könnte. Während Verkaufsplattformen damit vor allem ihre Gewinne in die Höhe schnellen lassen wollen, gibt es, so Mathias Jesse, aber auch Anwendungsfälle mit hehren Zielen, wie uns das Beispiel der Rezeptplattform zeigt.

Wir fragen bei ihm nach, ob dahinter nicht eine gehörige Portion Manipulation steckt, wenn man Personen insofern beeinflusst, dass sie „bessere“ Entscheidungen treffen. Mathias Jesse erklärt: „Der Mensch ist nicht immer dazu in der Lage, die für ihn optimale Entscheidung zu treffen. Manchmal braucht er einen Schubs, einen so genannten Nudge.“ Der Begriff stammt aus der Verhaltensökonomik und wurde von Richard Thaler und Cass Sunstein eingeführt. Ein Nudge ist für sie eine Methode, den Menschen in Richtung eines für ihn besseren Verhaltens zu beeinflussen, ohne Verbote und Gebote anzuwenden. Suche ich also nach Weihnachtskeksrezepten, sollen mir in wirksamer Weise eher solche angezeigt werden, die weniger fatale Auswirkungen auf Blutzucker- und Blutfettwerte oder meinen Hüft- oder Bauchumfang haben.

Mathias Jesse programmiert Anwendungsbeispiele für solche technischen Schubser und untersucht, inwiefern diese auch die erwünschten Effekte haben. Ein Beispiel ist die „default“-Funktion. Wenn die gesündere Alternative als Normalfall vordefiniert ist, wähle ich sie eher aus, so die Annahme. Hinter den Anwendungsbeispielen steht eine Vielzahl von psychologischen, wirtschaftlichen, aber auch ethischen Faktoren, die es, so Mathias Jesse, interdisziplinär zu beachten gilt.

Schon während seiner Schulzeit in der HTL Mössingerstraße hat sich Mathias Jesse für Schnittstellen zwischen der Informatik und anderen Fächern interessiert. „Nur Informatik war mir zu langweilig“, erzählt er uns. Schließlich kam ihm genau das Studium für Informationsmanagement (heute Wirtschaftsinformatik) gelegen, dass das Beste aus zwei Welten vereint: das technische Wissen aus der Informatik und betriebswirtschaftliches Know-how aus dem BWL-Studium. Nach dem Abschluss des Masterstudiums bewarb sich Mathias Jesse für das Doktoratskolleg DECIDE (Decision-making in a digital environment). Das Thema seiner Dissertation ergab sich dann im Austausch mit seinem Betreuer Dietmar Jannach. „Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine, also auch die Oberflächen auf Websites, stehen schon länger im Zentrum meines Interesses. Das Nudging-Thema in Verbindung mit den Empfehlungssystemen hat sich also ideal ergeben“, erzählt uns Mathias Jesse.

Kontakt & Information

Dr. Romy Müller
UNI Services | Forschungskommunikation

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Universitätsstraße 65-67, 9020 Klagenfurt, Austria
T +43 (0) 463 2700 9316
M +43 (0)664 839 8864
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aau/Müller

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
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