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25. September 2018

Digitale Agenda für Kärnten

Überlegungen von Edmund Huditz (ARGE eEducation Kärnten). Die Digitalisierung konzentriert sich momentan stark auf die Abdeckung des heutigen Bedarfs. Wir in Kärnten sollten unser Augenmerk auf die Abdeckung des zukünftigen Bedarfs richten.

Persönliche Skizzen zu einer Digitalen AGENDA für Kärnten

Überlegungen von Edmund Huditz (ARGE eEducation Kärnten)

 

„Unternehmergeist fördern und Zukunftschancen ergreifen“

Kärnten kann sich als relativ kleines Bundesland eine Zersplitterung nicht leisten. Die verschiedenen Bildungseinrichtungen - besonders auch im tertiären Bereich - sollten in Kooperation mit ansässigen Firmen und Startups ihre Energien bündeln und gemeinsame Ziele verfolgen. Nebenbei sei noch erwähnt, dass es für den Erfolg von Startups auch immens vorteilhaft wäre, die momentan verschiedenen Schultypen zugeordneten Kompetenzen (HTL – techn. Bereich, HAK – kaufm. Bereich, CHS – sozialer Bereich, …) zusammenzuführen.

Die Digitalisierung konzentriert sich momentan stark auf die Abdeckung des heutigen Bedarfs. Wir in Kärnten sollten unser Augenmerk auf die Abdeckung des zukünftigen Bedarfs richten.
Das sind meiner Einschätzung nach Bildung, Unterhaltung, Betreuung und gesunde Umwelt. Unsere größte Stärke liegt im Bereich Umwelt, welche auch in Zukunft für die Jugend ein immer entscheidenderer Faktor sein wird, wo sie leben und eine Familie haben möchten. Dies könnte ein Pull-Faktor für Kärnten werden, wenn wir einerseits diese Umwelt erhalten, andererseits auch Jobchancen bieten.

Hier sehe ich mit dem Start des Masterstudiums „Game Studies and Engineering“ an der AAU einen der guten und ausbaufähigen Ansätze. Denn Spiele werden sowohl im Unterhaltungs- als auch dem Bildungsbereich eine immer größere Rolle spielen, da einerseits auf spielerische Weise die so nötige Bildung viel leichter vermittelt werden kann und andererseits mit der Reduzierung des Arbeitspensums mehr Zeit für Unterhaltung bleibt.

Um die sich daraus ergebenden Zukunftschancen zu nutzen, müssten die in Kärnten vorhandenen Kompetenzen zusammengeführt werden, um mit einer gemeinsamen Vision die Zukunft aktiv zu gestalten, denn die Zukunft passiert nicht einfach, sie wird in weiten Bereichen gestaltet. Hotspots dafür könnten längerfristig Villach im Hardwarebereich (z.B. Infineon) und Klagenfurt im Softwarebereich (z.B. AAU, Startups im Lakesidepark) sein. Entscheidend wird eine Vernetzung der Akteure sein, denn für Alleingänge ist Kärnten etwas klein.

 

Überlegungen zum Thema Zukunft der Arbeit

Ich stelle mir vor, wie unter Umständen unsere Sorgen wegen der Befreiung vom "Arbeitsjoch" (und als solches wird es rückblickend gesehen werden) von Menschen in einigen Jahrzehnten belächelt werden. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir in Zukunft kaum noch "zugerichteten" Menschen brauchen, und das stellt eine große Herausforderung für unser Bildungssystem dar. Es wird entscheidend sein, dass Menschen ihre Talente und ihre Vorlieben in der Schule entdecken und entfalten können, sei es im technischen (wir werden nach wie vor IT-Spezialist/innen brauchen) oder im sozialen (Ansprechperson für andere Personen, Hilfestellung geben, Kinder erziehen) Bereich.

Rein auf Routinetätigkeit "zugerichtete" Personen werden es schwer haben, ihr Leben mit Sinn zu füllen, und damit zu einem sozialen Problem werden. Deshalb müssen wir das Bildungssystem sehr schnell umstellen (Lebensfülle statt Arbeitsleere). Dass all dies reibungslos verläuft, ist natürlich ein reiner Wunschtraum, aber wir müssen zumindest wissen, wo es hingehen soll.

Es gibt eine interessante Studie, wobei vor allem die Erwartung bezüglich zukünftiger Arbeitsplätze auffällt: In Deutschland erwarten 19% der Unternehmen zusätzliche Arbeitsplätze durch die Digitalisierung, in den USA sind es 59%! Dies spiegelt auch die unterschiedliche Geisteshaltung in Europa und den USA wider (Quelle: https://www.etventure.de/innovationsstudien/)

 

Rolle der digitalen Medien:

Digitale Medien sind DAS "Schweizermesser" der Gegenwart. Die Vielfalt ihrer Anwendungsmöglichkeiten nimmt ständig zu. Sie

1.   ermöglichen Zugriff auf aktuelle Informationen

2.   erleichtern Kollaboration innerhalb, aber auch außerhalb der Klassenzimmer

3.   fördern eigenverantwortliches Lernen

4.   eröffnen neue kreative Möglichkeiten

5.   machen Differenzierung und Individualisierung erst möglich

6.   eröffnen auch der „Sozialisierung“ neue Dimensionen

7.   erleichtern das Eingehen auf besondere Begabungen und Bedürfnisse

8.   ermöglichen eine neue Feedbackkultur z.B. durch automatisierte Auswertungen

9.   geben der Lehrperson eine neue Rolle - mehr Helfer und weniger Beurteiler

10. werden von den Jugendlichen als zeitgemäße Lernmöglichkeiten angenommen

 

Digitale Medien und ihre Didaktik:

Während in der Vergangenheit von engagierten Lehrpersonen noch nicht vorhandene technische Hilfsmittel zur Erleichterung von Lernprozessen herbeigesehnt wurden (z.B. Alan Kay im Jahre 1972 mit seinen Überlegungen zu einem Tablet, bevor eine technische Umsetzung möglich war), gibt es heute eine Menge technischer Geräte, welche „nach didaktischen Einsatzmöglichkeiten suchen“.

Für manche besteht daher die Versuchung, die Schulen mit Gräten „einzudecken“, um sich dann erst anschließend auch kritisch mit der Didaktik zu beschäftigen.

Ich denke, es sollte umgekehrt sein. Es braucht genügend auch didaktisch gut vorbereiteter Lehrpersonen, bevor die Geräte in die Klassen kommen. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass diese den Großteil der Zeit in den Abstellkammern bleiben.

Durch Aus- und Fortbildungsanreize sowie schulübergreifende Aktivitäten soll die Effektivität des Einsatzes digitaler Medien gesteigert werden. Dies ist natürlich insofern ein Paradigmenwechsel, als sich in der Vergangenheit jede/r Lehrer/in nur für die eigene Klasse, jeder Direktor nur für die eigene Schule verantwortlich fühlte. In Zukunft wird es immer notwendiger, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, um auch die Schätze der Anderen kennenzulernen bzw. Lehren und Lernen nicht nur als individuelle, sondern auch als kollaborative Prozesse zu verstehen.

Ich bin mir aber bewusst, dass wir diesbezüglich (nicht nur) in Kärnten erst am Anfang stehen. In der Vergangenheit haben wir uns vor allem bei der Förderung der Kreativität oft nur auf die Kreativität des/der Einzelnen konzentriert. Wenn man sich heute Filme ansieht, sind es fast immer Einzelheld/innen, welche mit genialen Einfällen die Welt retten, und welche um ach so viel wertvoller sind als der "Rest der Menschheit", was eigentlich eine sehr fragwürdige Einstellung ist.  

Die komplexen Problemstellungen von heute erfordern allerdings die Kreativität der Gruppe, ja vielleicht sogar der gesamten Menschheit, um umsetzbare Lösungen für diese Probleme zu finden.

Außerdem ist der Mensch in Wahrheit ein Gruppenwesen, dem auch viele Ideen erst im Austausch mit Anderen "zufallen". Gerade in unserer Zeit der digitalen Medien ist es auch viel einfacher, Menschen mit gemeinsamen Interessen in Kontakt zu bringen, als dies früher der Fall war.

 

Zum Einsatz digitaler Geräte in der VS ein paar Bemerkungen aus meiner Beobachtung im Rahmen des Mobile Learning Projekts:

Es kommt immer darauf an, wie kompetent und überlegt der Einsatz erfolgt, weshalb eine schnelle "Ausrollung" ohne genügend kompetente Pädagog/innen problematisch ist.

Differenzierung, Individualisierung und laufender Überblick über den Leistungsstand sind ohne digitale Geräte viel schwieriger (die Schere bei den Schüler/innen geht immer weiter auseinander).

Digitale Geräte werden von den Schüler/innen als "state of the art" Geräte gesehen und sollen als Lernwerkzeuge erkennbar werden.

Der Unterricht kann viel freudvoller, abwechslungsreicher und kreativer gestaltet werden, gerade auch beim Lernen der Grundkompetenzen!

Die Schule kann kein Bollwerk gegen "die Welt da draußen" sein.

Die Gefahren der digitalen Welt können nicht "mit erhobenem Zeigefinger" abgewehrt werden, sondern indem die Kinder lernen, mit den Geräten verantwortungsvoll umzugehen.

Dass bei all dem entwicklungspsychologische Faktoren zu berücksichtigen sind, ist mir klar und wichtig. Daher sollte natürlich zuerst das "Angreifen" realer Objekte (selbst bei der Einführung des Codings) im Vordergrund stehen, und danach erst die Abstraktion, damit das "Begreifen" nicht zu oberflächlich wird.

 

ToDos:

Duale bzw. berufsbegleitende  Aus/Weiterbildung fördern, da lebensbegleitendes Lernen immer wichtiger wird und wir in Kärnten den UNIs in Wien und Graz in vielen Bereichen wenig entgegenhalten können. Jugendliche wollen in die „Großstadt“, aber wir müssen ihnen das „Heimkommen“ attraktiv machen, wenn sie in der „Familienphase“ sind. Dann werden gesunde Umwelt, gute Kinderbetreuung und attraktive sowie sichere Arbeitsplätze wichtige Faktoren.
Zusätzlich wird es immer weniger Leute geben, welche einfach ein Leben lang in ihren „angestammten“ Berufen verbleiben. Auch deshalb werden Angebote für einen Umstieg in einen Beruf mit besserer Zukunftsperspektive immer wichtiger. Damit diese Angebote Sinn machen, sind zuerst die Interessen und Talente genau zu erheben und individualisierte Umstiegsszenarien zu überlegen (z.B. auch mit online Kursen wie MOOCs).
Besonderes Augenmerk muss dabei auch auf die jungen Frauen gelegt werden, denn sie haben traditionell ein noch größeres Bedürfnis nach Sicherheit sowie nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auf ihre Bedürfnisse sollte besonders eingegangen werden.

 

Die vier N für Kärnten:

  • Nischen: Nischen müssen gefunden und genutzt werden

  • Nachhaltigkeit: Sie muss als „Alleinstellungsmerkmal“ hervorgehoben werden

  • Netzwerke: Vernetzung der verschiedenen Ebenen, angefangen bei den Schulen (HTL+HAK+Gym)

  • Natur: Sie sollte als „Pull-Faktor“ für Brain-Gain hervorgehoben und Ressourcenverbrauch minimiert werden

 

Kontakt & Information

Mag. Edmund Huditz

eEducation Bundeslandkoordination AHS Kärnten
Leitung ARGE eEducation Kärnten
Landeskoordination Mobile Peer Learning

Mobile: +43 (0) 664 3057055
E-Mail: edmund.huditz@eeducation.at

 

Bildnachweis:

Nora Ulbing

Bildungsdirektion KÄRNTEN
10. -Oktober-Straße 24
9020 Klagenfurt am Wörthersee

www.kaernten-digital.at/e-education.html

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